Auswirkungen des Demografischen Wandels auf Salzburg

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Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Lebensqualität der Menschen im Land Salzburg? Gibt es im Innergebirg (Bezirke Lungau, Pongau, Pinzgau) spezielle Auswirkungen?

Verena Czaby, Regionalmanagerin für Arbeit und Chancengleichheit, TEP Arbeit für Salzburg
Es zeigt sich, dass zu den bestehenden Veränderungen der Bevölkerungszahlen auch eine Bevölkerungsverschiebung durch verstärkte Mobilität und Abwanderung kommt. Dies verstärkt den demographischen Wandel gerade in den peripheren Gebieten, da vor allem die jungen Menschen abwandern und die Regionen damit noch schneller überaltern.

Daniela Diethör, Geschäftsführerin von Frau & Arbeit
Abwanderung von gut qualifizierten Menschen, vor allem Frauen, aus dem ländlichen Bereich.
Ausdünnung, Überalterung
Konservatives Denken macht das Leben in diesen Regionen für (jüngere) Frauen oft unattraktiv
Mangel an (technischen) Fachkräften bereits spürbar
Sehr schwierig, gut ausgebildete Personen zu finden
Kaum mehr kleine Geschäfte. Ketten, die es überall gibt..., kein traditionelles Handwerk
Wenig attraktive Arbeitsplätze

Josef Fanninger, Geschäftsführer Regionalverband Lungau
Es kommt zu einem Brain-Train aufgrund der fehlenden Jobangebote im Lungau. Wissen was einmal abgeflossen ist kann man sehr schwer wieder zurückbringen. Hier gilt es Angebote zu finden, dass es wieder attraktiver wird auch im Innergebirge zu leben.

Rosemarie Fuchshofer, Büro StadtLandBerg, Henndorf-Tamsweg
Regionen werden für die Mehrheit zu „Lebensabschnittsregionen" für Zeiten außerhalb des Erwerbsalters. Kinder, junge Frauen, alte Leute (lobbyarme Gruppen) stellen die Mehrheit der „stationären" Bevölkerung – Infrastruktur wird weiter ausgedünnt. Wegzug der Jungen bringt eine (emotional) unterversorgte, einsame Elterngeneration, kinderarme Gemeinschaften, Immobilienunternutzung und –leerstand. Durch Verlust des kreativen und innovativen Potentials werden rigide, traditionelle Entscheidungs- und Handlungsmuster weiter verfestigt. Abwanderung der Personen im Erwerbsalter schwächt die Personenkreise der potentiellen Funktions- und EntscheidungsträgerInnen.

Karoline Gindl-Müller, Koordinatorin des TEP „Arbeit für Salzburg"
Die Nahversorgungsinfrastruktur wird immer schlechter. Viele Geschäfte müssen schließen. Es gibt kein attraktives bzw. vielfältiges Angebot an Restaurants, Cafes, oder alternativen Einkaufsmöglichkeiten. Der öffentliche Nahverkehr wird immer mehr eingeschränkt, obwohl die Wege zur Arbeit tendenziell länger werden. Alle Faktoren, die einen angenehmen Lebensstandard gewährleisten führen insbesondere dazu, dass gut ausgebildete Personen nicht gerne in diese Regionen ziehen oder zurückkehren. Ein Effekt ist u.a., dass es immer schwieriger wird, Landarztpraxen nachzubesetzen.

Franz Grübl, Bezirksstellen-Leiter AK-Pongau
Abwanderung von gut ausgebildeten Menschen mangels Arbeitsangebot. Die verbleibende Bevölkerung wird immer älter und diverse Angebote in der Region immer schlechter. Der Bedarf an Pflege im nicht familiären Bereich nimmt rapide zu.

Michaela Höfelsauer, Vizebürgermeisterin und Heimleitung im Seniorenheim Lend
Abwanderung der Jugend in Ballungszentren. Durch mehr Möglichkeiten der Bildung geht die Jugend weg und bleibt weg.
Angebote werden immer mehr auf alternde Menschen angepasst. Viele Jugendliche fallen hier durch ein Raster.

Valentin König, Bürgermeister der Gemeinde Thomatal
Durch den höheren Anteil an älteren Menschen wird die „Last" für jüngere Generationen höher. Innergebirge ist zusätzlich durch die Abwanderung eine Gefahr der Entvölkerung (Ausdünnung) des ländlichen Raumes gegeben.

Leonhard Madreiter, Bürgermeister der Gemeinde Fusch a.d. Glocknerstraße
Alterung der Bevölkerung
Bevölkerungsrückgang
Rückgang der finanziellen Kraft der Gemeinden
Verschlechterung der Infrastruktur
Kleingemeinden kämpfen mit dem „Überleben"

Josef Raos, Leiter des Amtes für Statistik des Landes Salzburg (seit 1. Mai 2011 in Ruhestand)
das quantitative Verhältnis der Generationen zueinander ist "gestört"
bisher familiär erbrachte Leistungen müssen verstärkt professionalisiert werden
die Entwicklungsdynamik wird gebremst
die Alterung wird regional unterschiedlich stark "zuschlagen"

 

Demochange Team

Gerhard Ainz, Raumplaner, ÖIR-Salzburg
Gesellschaft wird immer älter, der Anteil der weniger mobilen und nicht-auto-mobilen Bevölkerungsgruppen wird sukzessive steigen; wenn Gesellschaft nicht mit entsprechend altersgerechten Ausbau des ÖPNV und der Versorgungsstrukturen reagiert, wird es zu Einbußen in der Lebensqualität kommen. Innergebirg tritt die Problemlage verschärft auf, weil es jetzt schon Defizite in der Versorgung gibt.

Andreas Koch, Universitätsprofessor für Geographie, Leiter des Arbeitskreises Sozialgeographie
Ein wachsendes Bewusstsein ob der vergangenen und sich künftig abzeichnenden demographischen Prozesse. Daran knüpfen sich erwartbare Möglichkeiten, bestimmte Lebensformen zu realisieren. Aus diesem Bewusstsein erwächst zudem ein von den Menschen in wachsendem Maße aktiv wahrgenommenes Gestaltungspotenzial, lokalen Zusammenhalt und regionale Identität zu leben.

Richard Schoßleitner, Raum- und Trendforscher, Büro Schoßleitner
Dorf: Abwanderung (insbesondere jüngerer und besser gebildeter Bevölkerungsschichten) führt zu Schwierigkeiten in der Aufrechterhaltung funktionsfähiger Arbeitsmärkte und der Versorgungsinfrastruktur (z.B. Nahversorgung, Kinderbetreuung, öffentlicher Verkehr, kulturelle und soziale Einrichtungen etc.) in ländlich-peripheren Regionen. Risiko des Einsetzens einer weiteren Abwärtsspirale: mangelnde Infrastruktur/Arbeitsplätze führt zu einem Attraktivitätsverlust von kleinen Gemeinden für junge Familien und ohne junge Familien wird aus einem Dorf zunehmend ein sterbendes Dorf...

Stadt: Verstärkte Zuwanderung in Stadtregionen/Zentralraum - hervorgerufen durch wirtschaftliche Konzentrationstendenzen („Tertiärisierung") - erhöht dort das Preisniveau und den Flächenverbrauch für Wohnen (Freiraum und leistbarer Wohnraum wird knapp). Durch das Sinken der Haushaltsgrößen und den gesteigerten Wohnflächenanspruch wird diese Entwicklung verstärkt.
Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende Segregation der Bevölkerung (zwischen gut und schlecht gebildeten, zwischen gut und schlecht Verdienenden, zwischen alt und jung, ethnisch-religiös) –> Ausprägung von Armuts- und Wohlstandsquartiere).

Wolfgang Spitzer, Geograph, Research Studios Austria – Studio iSPACE
Segregationsprozesse ganzer Täler verursacht durch einseitige wirtschaftliche Orientierung und verstärkt durch demographischen Wandel (Flucht der Jungen in die Zentren). Folge: Rentner bleiben über und Rentner kommen dazu.

Heidrun Wankiewicz, Raumplanerin & Projektmanagerin, Büro planwind.at
Die Menschen leben viel länger, sie werden älter und wechseln in ihrem Leben öfter den Lebensort, den Beruf, viele auch die Partnerschaft. Dadurch verändert sich die Bevölkerung in Dörfern und Städten stark: es gibt mehr Ältere, PensionsrückkehrerInnen, NeubürgerInnen. Und die werden erst sehr mobil, dann weniger mobil. Personal in der Gastronomie ist selbstverständlich aus Bosnien oder Kroatien oder aus den neue Bundesländern Deutschlands. Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Familienarbeit und in der Erwerbsarbeit findet langsam auch in der politischen Gestaltung statt. Die unterschiedlichen Ansprüche und Definitionen, was Lebensqualität ausmacht, werden neu und laufend verhandelt auf lokaler und nachbarschaftlicher Ebene.